Mein Leben als Expat - Teil 1 - Gastbeitrag - Katja von Glinowiecki
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Mein Leben als Expat – Teil 1 – Gastbeitrag

Mein Leben als Expat – Teil 1 – Gastbeitrag

Seit elf Jahren lebe ich im Ausland. Welchen Einfluss das auf mein Leben hatte, muss ich in drei Teilen erzählen, denn es ist doch eine ganze Menge passiert.

Meine Karriere

Ich habe sehr hart gearbeitet, um einen guten Abschluss in Mathe und BWL zu machen. Anschließend verdiente ich gutes Geld als CFA (Chartered Financial Analyst, eine Art Controller), um dann doch alles aufzugeben, um Hausfrau und Mutter zu werden.

Es brach meinen Eltern das Herz. Meine ganze Kindheit und Jugend über sagten sie mir immer wieder, ich sollte besser den Kugelschreiber als die Suppenkelle schwingen. Ich musste nie im Haushalt helfen oder mir gar einen Teller Nudeln selbst machen. Sie taten alles, um mir den Rücken für meine Studien freizuhalten, damit ich einen guten Abschluss und einen noch besseren Job haben konnte. Ich sollte aus der Mittelschicht ausbrechen, und schaffte es auch: fünfstelliges Monatseinkommen (Singapore Dollar), einen Bonus alle drei bis sechs Monate. Regelmäßig riefen mich Headhunter an, ich hatte einen guten Ruf in der Branche.

Dann habe ich geheiratet, bin von zuhause ausgezogen und gleich schwanger geworden. Ich habe weiter gearbeitet, bis Hansel kam. Ich überlegte, ob ich nun weiter von KL (Kuala Lumpur, Malaysia) aus arbeiten sollte, da Jon inzwischen nach KL gezogen war. Ich selbst verbrachte nach Hansels Geburt ab zu ein paar Tage in KL während des Mutterschaftsurlaub von drei Monaten. Eines Tages nach einem Essen kam eine wildfremde Frau auf mich zu und informierte mich darüber, dass männliche Babies mittlerweile 15,000 Ringgit (Malaysische Währung entspricht etwa 3.400€) wert seien. Nach dieser seltsamen Unterhaltung war mir klar, dass ich verrückt sein musste, wenn ich meine Karriere weiter verfolgen und mein Baby in wildfremde Hände geben würde. Also kündigte ich und blieb fortan zuhause.

Karriereknick und Abhängigkeit

Und statt eines guten Gehalts bekam ich nun Geld von meinem Mann. Es war zunächst schwierig, mich daran zu gewöhnen. Weil wir im Ausland lebten, war es schwer für uns, eine zweite „EC-Karte“ (bzw. das asiatische Äquivalent) zu beantragen und so musste ich lernen, mit Bargeld zu haushalten.

Jon ist sehr großzügig und hat mich nie kritisiert oder hinterfragt. Dennoch war es sehr schwer für mich, nach Geld zu fragen. Es fühlte sich wie Almosen an, und ich haderte damit, meine finanzielle Unabhängigkeit aufzugeben. Es hat ein Jahr gedauert, um zu realisieren, dass ich als Hausfrau und Mutter auch meinen Beitrag leiste. Eine Vollzeit-Mutter zu sein ist ganz klar harte Arbeit und ich verdiene meinen Unterhalt eben auf diese Art.

Erschwerend hinzu kamen meine festen Ausgaben, zum Beispiel Versicherungen oder Unterhalt an meine Eltern – so machen wir das in Asien, die Eltern bekommen monatlichen Unterhalt und zusätzlich einen Tausender für besondere Anlässe wir Geburtstage, Mutter- oder Vatertag etc. Geschenke sind weniger gefragt als Bargeld (das ist wohl Teil der asiatischen Kultur, haha). Ich habe mit Jon gesprochen und er hat eingewilligt, mir einen monatlichen Betrag als Unterhalt und als gemeinsamen „Notgroschen“ zu überweisen. Schließlich bekam ich noch eine “EC-Karte”. Und wenn er seinen Jahresbonus bekommt, bekomme ich auch einen Teil. Ich bin sehr dankbar dafür, denn ich kennen Frauen, deren Männer sie kontrollieren und die noch nicht einmal eigene Konten haben. Jon hat mich immer sehr unterstützt.

Elf Jahre lang habe ich alles für den Haushalt, Rechnungen und Kinder ausgegeben. Und wenn ich mal etwas für mich kaufe, oder übertriebene Geschenke für die Kinder oder für Jon, benutze ich meine eigene Karte, die von meinem Sparbuch abgeht. Das gibt mir das Gefühl, immer noch mein eigener Herr zu sein. Er braucht ja nicht immer genau zu wissen, wie teuer die Geschenke sind (nicht, dass es ich für gewöhnlich übertreibe).

Zurück auf den Karrierepfad – Lohnt sich das?

Die Kinder sind jetzt neun und elf Jahre. Sie brauchen mich nun nicht mehr so wie vorher, soll ich also wieder arbeiten gehen? Ehrlich gesagt würde es mir schwerfallen, wieder in den Finanzsektor zurückzukehren (ich kann mich kaum noch an die Fachtermini erinnern, die Märkte haben sich enorm verändert und sämtliche Zertifikate und Lizenzen, die ich hatte, sind abgelaufen). Stattdessen habe ich aber nun einen Bäcker-Abschluss der ABC Kochschule und kann dort als Lehrerin arbeiten, oder vielleicht heuer ich bei Freunden an, die ihre eigene Firma haben. Ich werde erst einmal abwarten, wie sich alles entwickelt und in der Zwischenzeit meinen Lebenslauf damit auffrischen, aktiver in der Schule zu werden. Nächstes Schuljahr übernehme ich den Vorsitz der Elternvertretung. Auch das wird eine Herausforderung werden: neun Vertreter werden versuchen, es 1600 anspruchsvollen Mitgliedern recht zu machen – drückt mir die Daumen.

Wir  – das ist eine vierköpfige Familie aus Singapore. Mein Mann Jon arbeitet in der Finanzbranche. „Hansel“ ist elf Jahre und „Gretel“ ist neun (ein Spitzname, der daher rührt, dass sie immer eine Spur zurücklässt, meist aus purer Schlampigkeit). Sie gehen auf internationale Schulen seit sie zwei Jahre alt sind. Ich selbst (“JK”) bin seit elf Jahren aufopfernde Ehefrau und Mutter und arbeite hart daran, angesichts der Ansprüche an eine Hausfrau und Mutter nicht den Verstand oder meine Individualität zu verlieren.

Foto von Andrea Piacquadio von Pexels