
05 Okt Also, jetzt hab ich aber wirklich nichts zum Anziehen! – Gastbeitrag
Beim ersten Mal war es kein Thema: Umzug von Deutschland nach Japan und nach einem Jahr wieder zurück. Sommer, Winter, Übergang, naja, ein bisschen anders als im vertrauten Bonn, aber es hat alles gepasst.
Im Laufe des Jahres haben die japanischen Waschmaschinen die ein oder andere Socke gefressen, einige weiße Teile entwickelten einen “Grauschleier” und ich konnte sie vor der Rückkehr beruhigt in den Müll wandern lassen. Der Rest wurde wieder retour geschickt. – Das war 1987 und ich eine junge Studentin.
Die 80iger
Zehn Jahre später, ich zog wieder in dieselbe Richtung, diesmal in eine sehr schöne Gegend von Tokyo. Allein und mit viel Platz im Container. Mein Arbeitgeber war großzügig genug, mir für diesen Umzug ein “Kleidergeld” zu bewilligen, damit ich mich auf die klimatischen und kulturellen Erfordernisse einstellen konnte. Das hieß mehr Nylonstrumpfhosen. Auch im Sommer: jeden Tag.
Gut, einfach, und auch die Rückkehr nach ein paar Jahren war kein Problem.
Die 90iger
Nochmal zehn Jahre später, ich habe Familie und ziehe mit Mann und zwei kleinen Kinder in die Subtropen, nach Hongkong. – Was bleibt da? Was geben wir weg? Die warmen Babysachen? Klar, die kommen weg – aber nein, das und dies behalte ich, es ist so süß und die Kinder brauchen ja auch Erinnerungsstücke.
Und von uns Erwachsenen?? Hm, wir bleiben ja nicht lange. Der Wintermantel, mein langer Wollrock, die Stiefel – brauch ich alles nicht in Hongkong. Werden eingelagert.
Ich konnte ja nicht ahnen, dass wir am Ende doch viel länger bleiben würden und die Mode nach zehn Jahren anders aussah als vor zehn Jahren – ähnlich wie meine Kleidergröße.
Heute – 20 Jahre später
Und nach dieser langen Vorrede bin ich beim Thema: Jetzt nämlich, zurückgekehrt nach Deutschland, habe ich nun wirklich nichts zum Anziehen!
Woher sollte ich auch wissen, dass es im September (!) in Franken kälter werden kann als in Hongkong im ganzen Winter? Woher so schnell Klamotten für eine vierköpfige Familie bekommen?
Die letzten Winter in Hongkong waren warm. Unsere drei Läden, die wir um die Ecke hatten, und die uns in allen Größen versorgt haben, gibt es hier nicht, nur in den großen Städten oder online. Und das dauert. Aber es ist jetzt kalt. Wir brauchen Schuhe, dicke Jacken und am besten auch gleich Schals, Mützen, Handschuhe für alle, denn es ist ja so kalt.
Ich kann durch die Stadt laufen – und weiß gar nicht, wo ich schauen soll. Will mich ja auch nicht für vier Leute verkaufen, zu viel, das Falsche, eigentlich doch nicht unser Stil…
Trotzdem gut, dass ich mich nicht noch mal in China habe benähen lassen, mit Sachen, die mir in Hongkong zwar gefielen, die hier aber irrelevant sind. Da kann das Kaschmir noch so zart sein. Meine weise niederländische Freundin sagt, manche Sachen kann man gut an einem Ort tragen, an den anderen Ort passen sie aber nicht. Recht hat sie.
Weiberkram, ja klar. Aber einer dieser kleinen Umzugskämpfe, die viel Energie abziehen.
Eigentlich, und das bleibt mein Geheimnis, ist das Thema gar nicht so relevant für mich, denn ich schreibe im Pyjama. Da ist es egal, was ich anziehe – wenig in Hongkong oder dicke Schlappen und weiches Fleece in Deutschland.
Jutta Depner ist Interkulturelle Trainerin und Coach und sagt, sie wäre selbst ihre beste Kundin, wenn sie nur könnte. Sie fühlt sich in Tokyo, Hongkong und bald wieder in Nürnberg zuhause und mag es, sich selbst dabei zu beobachten, wie sie Erfahrungen im Ausland, und als “Erlebens-Ausländerin” in Deutschland macht.
Foto von Guillaume Meurice von Pexels